
Schwachhausen Magazin
Solo Cose Belle
Nur die schönen Dinge
La Scuola Toscana von Sara Gasparri
Text: Andreas Schack
Foto: Andreas Schack, La Scuola Toscana
In der Scuola Toscana von Sara Gasparri wird Italien zur Gewohnheit, mit Sprache, Wein und Gemeinschaft.
Die Espressomaschine zischt, während die ersten Stimmen in dem kleinen Café im Fedelhören erklingen. „Buonasera! Come stai?“ Sara Gasparri lacht, reicht ihren Gästen die kleinen Tassen über den Tresen, und plötzlich erscheint der Alltag vor den großen Fenstern weit entfernt. „Das hier ist meine kleine italienische Welt“, sagt sie. „Damit ich hier im Norden besser leben kann, habe ich sie mir gebaut. Und viele fühlen sich darin mittlerweile genauso zu Hause wie ich.“
La Scuola Toscana – so heißt ihre Italienisch-Schule. Unterrichtsraum, Weinhaus, Wohnzimmer, Wintergarten und ein bisschen Café, alles spielt hier zusammen. Bücherregale, Weinflaschen, Amaretti und Fotos aus der Heimat schmücken die Wände. Unten das gemütliche Café mit Blick auf das Weinregal. Oben das helle Klassenzimmer, mit einem langen Holztisch, der sich für Weinabende ausziehen lässt.
„Ich habe 1998 als Mini-Sprachschule in meinem Haus begonnen, zuerst in der Neustadt, später hier im Fedelhören“, erzählt die 53-Jährige. Drei Jahre kehrte sie zwischendurch nach Italien zurück, nach Livorno an die Küste: „Sonne, Meer, Familie!“. Dort begann sie spontan eine Ausbildung zum Wein-Sommelier und entwickelte sich nach erfolgreicher Prüfung zu einer gefragten Weinexpertin. 2011 zurück in Bremen, kombinierte sie ihre beiden Leidenschaften: Sprache und Wein aus Italien. Seit 2013 befindet sich die Scuola Toscana in den heutigen Räumen. 2016 kamen ein dritter Raum und ein kleiner Ladenbereich dazu. „Alles, was man hier sieht, ist da, weil ich es liebe“, sagt sie und zeigt auf Amaretti-Dosen, Cantuccini aus Prato, Espresso aus ihrer Heimat und eine Flasche Limoncello.
Rund 150 Menschen lernen aktuell italienisch in der Scuola Toscana. Die Gruppen sind klein, maximal neun Personen, 60 Minuten pro Woche, dazu Hausaufgaben. „Wunder kann ich noch nicht bewirken“, sagt Sara und grinst. „Einmal pro Woche hier und einmal zu Hause, nur so wächst die Sprache.“ In jeder Stunde beginnt sie mit dem gleichen Ritual: „Erzählt was Schönes.“ Keine Weltlage, kein Trübsinn. Lieber von einem netten Gespräch, einem guten Film, einem Spaziergang. „Solo Cose Belle – nur schöne Dinge. Das tut der Gruppe gut. Und mir auch.“
Einsteiger starten in Anfängerkursen, sobald wieder ein Termin frei wird. Der Altersmix reicht von Anfang 20 bis über 80. Die Motive der Schüler sind so bunt wie Italien: Sehnsucht nach dem Klang der Sprache, Opernleidenschaft, Urlaubspläne, ein Haus in Italien, Familie. Oder einfach die Lust, sich einmal pro Woche an einen großen Tisch zu setzen und zu reden.

Eine Gemeinschaft
Und so ist La Scuola mehr als ein Lernort. Es ist ein Mikrokosmos. „Das Leben geht durch diese Räume“, erzählt Sara. „Freudiges, Schwieriges – alles.“ Zweimal im Jahr gibt es große Feste mit Buffet, Kennenlernspiel und einem gemeinsamen Lied – von „Azzurro“ bis „Volare“. Eine Woche lang wird dafür in jeder Klasse geübt. Am Abend singen alle zusammen. Oft verabreden sich Gruppen auch außerhalb, feiern Geburtstage, gehen gemeinsam in die Oper am Goetheplatz, wenn eine italienische Produktion läuft. „Ich begrüße jeden mit einem Lächeln“, sagt Sara. „Ein Lächeln ist besser als Medizin.“ „Diese Haltung trage ich hier hinein. Sie macht etwas mit uns. Man geht leichter aus der Stunde, als man hineingekommen ist.“
Alle sechs bis acht Wochen verwandelt sich der lange Tisch in eine Tafel für 12 bis 15 Gäste. Dann führt Sommelier Sara durch einen Abend mit Weinen aus unterschiedlichen Regionen. Dazu passendes Fingerfood: Bruschetta, eine schnelle Pasta mit Trüffel, Quiche, Aufschnitt- und Käseplatten, Cremes zum Streichen. „Wein hilft ins Gespräch“, sagt sie. Die Weinabende sind kein Pflichtprogramm, sondern Teil des Konzepts. Sprache, Genuss, Kultur – alles greift ineinander. „Wer zuerst für den Wein kommt, entdeckt häufig die Sprache. Und umgekehrt.“
Für den Sommer organisiert Sara oft eine Reise in ihre Heimatstadt Livorno. „Die Stadt ist nicht touristisch. Das ist das Tolle“, sagt sie. „Man muss Italienisch sprechen, in der Bar, im Buchladen, beim Einkauf, auf dem Markt.“ Unterricht findet statt. Aber die Stadt ist der Klassenraum. Dazu kommen Ausflüge, Menschen, Handwerk, Küche. „Die Teilnehmer tauchen in meine Welt ein, meine Orte, Freunde, manchmal Familie. Das prägt. Zurück in Bremen kennen sie mich anders und sich selbst auch.“

Der Weg nach Bremen
1994 kam Sara, während ihres Studiums, für ein dreimonatiges Praktikum nach Bremen. „Ich wusste bis dahin nicht einmal, dass es die Stadt aus dem Märchen der Bremer Stadtmusikanten wirklich gibt“, erinnert sie sich und lacht. Aus drei Monaten wurden drei Jahrzehnte, der Liebe wegen. Mit ihrer Rückkehr nach Italien 2008 stillte sie ihre Sehnsucht nach Heimat und Familie. 2011 kehrte sie zurück nach Bremen, zu ihren Freunden. 2013 folgte der Umzug in die heutigen Räume, 2016 der Ausbau. „Ich wachse peu à peu – so, wie es zu mir passt.“
Ihre Kinder, Lorenzo und Letizia sind längst erwachsen, mehrsprachig aufgewachsen und haben bei den Weinabenden oft mitgeholfen. „Wir haben viel als Familie gemacht.“ Heute bereiten auch Saras Schüler gelegentlich das Anrichten mit vor und freuen sich darüber. „Das verbindet.“
Leichtigkeit, die bleibt
Es ist nicht die pure Grammatik, auch wenn Sara beim Konjunktiv keine Gnade kennt. Es ist die Atmosphäre. Der Einstieg mit der Frage nach dem Schönen. Das Lachen über kleine Fehler. Die Nähe. Die Verlässlichkeit der kleinen Einheit: „Ich will keine Volkshochschule werden“, sagt sie. „Es soll klein bleiben, persönlich. So lernt man besser und lebt schöner.“ „Doch wenn es klappt, würde ich gern noch eine weitere Lehrkraft dazunehmen“, sagt sie. „Jemand Italienisches aus Bremen, der oder die unsere Art teilt: herzlich, klar, spielerisch.“
Draußen rauscht der Verkehr, drinnen erklingt ein vielstimmiges „Ciao, a presto!“. Auf dem Tisch stehen jetzt leere Tassen, ein paar Krümel Cantuccini, ein Notizzettel mit neuen Vokabeln: sorriso – das Lächeln. „Ich bin ehrgeizig für meine Leute“, sagt Sara Gasparri beim Abschied. „Sie sollen lernen. Aber noch wichtiger: Sie sollen sich auf diese Stunde freuen. Solo Cose Belle – davon lebt man länger als von Regeln.“
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