
FINDORFF Magazin
Getauscht statt
neu gekauft
Wie der Kleidertauschladen in Findorff
Klima & Nachbarschaft stärkt
Text: Klimazone Findorff e. V.
Foto: Lana Draghinazzi
Ein schickes Kleid für die nächste Feier, eine Übergangsjacke oder Sportschuhe für den Sohn – wer heute in der Münchener Straße 148 vorbeischaut, findet all das und mehr. Der Kleidertauschladen der Klimazone Bremen-Findorff e. V. hat sich in weniger als zwei Jahren vom spontanen Pop-up-Experiment zu einer festen Institution im Stadtteil entwickelt. Er bietet eine echte Alternative zum Neukauf – und zwar regelmäßig, verlässlich und für alle zugänglich.
„Das ist unser entscheidender Unterschied zu klassischen Tausch-Events, die nur einmal im Jahr stattfinden“, sagt Gesche Reich, Klimaschutzmanagerin der Klimazone. „Hier können die Menschen jede Woche mehrmals vorbeikommen. Das schafft Verlässlichkeit und macht den Tauschladen zu einem Ort, an dem nachhaltiger Konsum wirklich alltagstauglich wird.“
Klimaschutz im Kleiderschrank
Die Modeindustrie ist einer der größten Klimakiller weltweit – sie verursacht mehr CO2-Emissionen als Flugzeuge und Kreuzfahrten zusammen, verbraucht Unmengen an Wasser und Chemikalien, und am Ende landen Kleidungsstücke oft nach kurzer Zeit im Müll. „Indem wir die Nutzungsdauer von Kleidung verlängern und sie zurück in den Kreislauf bringen, reduzieren wir Ressourcenverbrauch und Abfälle“, erklärt Reich. „Das klingt vielleicht nach einer Kleinigkeit, ist aber ein enormer Hebel für den Klimaschutz.“
Im Kleidertauschladen finden Besucher:innen Kleidung für alle Altersgruppen und Anlässe: Kinderjacken, Business-Outfits, Sommerkleider oder Sportsachen. Sogar Spielzeug, Accessoires und Sportzubehör wechseln hier regelmäßig den Besitzer. Viele Kund:innen bringen Stücke nur für einen besonderen Anlass mit nach Hause und geben sie danach frisch gewaschen zurück. So lässt sich der Wunsch nach Abwechslung bedienen, ohne dass neue Ware produziert werden muss.
Kundin Anna erzählt: „Ich habe hier ein Kleid für die Hochzeit meiner Freundin gefunden. Zwei Wochen später habe ich es wieder zurückgebracht, damit es jemand anderes weiternutzen kann. Für mich ist das die perfekte Lösung – schön, nachhaltig und kostenlos.“

Ein Ort der Begegnung
Doch der Laden ist mehr als nur ein Umschlagplatz für Kleidung. Er ist Treffpunkt und Wohnzimmer der Nachbarschaft geworden. Zwischen den Kleiderstangen stehen Sofas, es gibt Kaffee, ein wöchentliches Nähcafé und wechselnde Veranstaltungen: Filmabende, Ausstellungen, Workshops zum Upcycling.
Ehrenamtliche Helferin Patrizia sagt: „Viele Leute kommen gar nicht unbedingt, um etwas Bestimmtes zu finden. Sie bleiben einfach, stöbern, schnacken, trinken einen Kaffee. Daraus sind schon richtige Freundschaften entstanden.“
Ohne Ehrenamt geht nichts
Möglich ist all das nur durch den Einsatz der vielen Freiwilligen. Über 30 Ehrenamtliche halten den Betrieb am Laufen: Sie sortieren Kleiderspenden, organisieren die Öffnungszeiten, gestalten Veranstaltungen und betreuen Besucher:innen.
Freiwillige Gertrud erklärt: „Ich war auf der Suche nach einem Ehrenamt, bei dem ich etwas Sinnvolles tun kann. Im Kleidertauschladen habe ich eine Aufgabe gefunden, die Spaß macht und Verantwortung mit sich bringt. Außerdem lerne ich ständig neue Leute kennen.“
Viele Ehrenamtliche berichten, dass sie durch ihre Mitarbeit neue Bekanntschaften gemacht haben. „Hier können alle ihre Stärken einbringen – ob beim Nähen, beim Sortieren oder in der Öffentlichkeitsarbeit“, sagt Reich. „Es geht nicht um Perfektion, sondern um Gemeinschaft. Das macht uns stark.“

Von der Zwischennutzung zur Institution
Ursprünglich war der Kleidertauschladen nur als zweiwöchige Zwischennutzung geplant; als die damaligen Betreiber das Modegeschäft „Mehlgarten“ aufgaben, standen die Räume leer und durften nach Absprache mit der GEWOBA von der Klimazone genutzt werden. Zwei Wochen Kleidertausch in Verbindung mit einer Klimaschutzausstellung waren damals geplant. Doch der Zuspruch war überwältigend: Schon kurz nach der Eröffnung kamen Besucher:innen nicht nur aus Bremen, sondern auch aus Hamburg, Oldenburg oder Hannover. Dank so viel Nachfrage, wurde aus dem kurzen Aktionszeitraum ein dauerhaftes Angebot – vom „Pop-Up Store“ zum Kleidertauschladen. „Geplant war ein Experiment, entstanden ist ein lebendiges Stück Stadtteilkultur“, sagt Reich. „Es zeigt, wie viel sich bewegen lässt, wenn Ehrenamt, Nachbarschaft und der Wunsch nach umsetzbarem Klimaschutz zusammenkommen.“
Blick in die Zukunft
Damit es so weitergehen kann, braucht es langfristige Perspektiven. Noch läuft der Betrieb über eine Zwischennutzung, die immer wieder verlängert werden muss. Der Verein sucht daher nach Partnern und Fördermitteln, um den Betrieb dauerhaft zu sichern – und vielleicht sogar jemanden in Teilzeit anzustellen, der die Organisation koordiniert.
„Unser Traum ist es, den Laden langfristig zu verstetigen und die Bildungsangebote auszubauen“, sagt Reich. „Denn wir merken: Klimaschutz funktioniert am besten, wenn er konkret, nahbar und gemeinschaftlich erlebbar ist.“
Auch die Kund:innen wünschen sich, dass es den Laden dauerhaft gibt. Für mich ist der Kleidertausch ein Stück Lebensqualität. Ich spare Geld, tue etwas fürs Klima und probiere auch mal Sachen aus, die ich sonst nicht nehmen würde. Das sollte nicht nur so eine Übergangssache sein“, sagt Ali.

Mission: Kreislaufwirtschaft in der Praxis erleben
Einen großen Schritt in Richtung Zukunftssicherung konnte die Initiative vor einigen Monaten gehen; da gewann sie den Jurypreis des Crowdfunding-Wettbewerbs „Mission Circular Economy“. Diese Anerkennung zeigt auch, dass der Laden in Findorff Teil einer größeren Bewegung ist, die unsere Konsumgewohnheiten nachhaltiger und zukunftsfähiger machen will. Das Prinzip Kreislaufwirtschaft ist längst auch auf politischer und wirtschaftlicher Ebene angekommen: In Bremen setzen sich Akteure wie die Bremer Aufbau-Bank (BAB) und die Handelskammer aktuell stark für Kreislaufprojekte ein. Wer sich ansehen möchte, wie das Prinzip in der Praxis aussehen kann, muss sich nur im Kleidertauschladen umsehen: Kleidung, die andernorts im Altkleidercontainer oder gar im Müll landen würde, erhält hier ein zweites Leben.
Ein Gewinn für alle
Der Kleidertauschladen in der Münchener Straße zeigt, dass Nachhaltigkeit keine Einschränkung sein muss, sondern ganz im Gegenteil, ein Gewinn für alle. Er entlastet das Klima, macht Mode zugänglich – unabhängig vom Geldbeutel – und schafft einen Raum der Begegnung.
www.klimazone-findorff.de